Reino Glutberg – Freilondstroß

„Mit deinem Beisl-Blues und deim bierigen Groove bist unterwegs weil du suchst und du suchst“ singt Reino Glutberg selbstreferenzierend im Opener Treibhuiz seines Debüt Albums „Freilondstroß“ auf dem Label HASN Music, mit dem er sich vom Blues freispielt und den Folk mit leichten Country Vibes findet.

Freilondstroß ist eine Art Konzeptalbum auf dem Glutberg den Hörer per Autostopp mitnimmt. Viele Geschichten entstehen hinterm Lenkrad, so Glutberg, weil es am Land keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Auf einer stimmungsvollen Album-Fahrt werden Folk und ein wenig Country im burgenländischen Dialekt elegant balanciert. Gelöst klingen die Lieder; eine gelebte Gelassenheit, die gelingt.

Dass diese Kunst so gut funktioniert, liegt in erster Linie daran, dass es eine Kunst ist, der man glaubt, weil sie Wurzeln hat, durch die sie aufblühen kann. Weil sie im burgenländischen Dialekt und nicht in der Fremdsprache geschrieben wird. Hört man Glutberg von seinem jugendlichen Außenseitersein singen und seine Gitarrensaiten erklingen, hört man die Junikäfer surren – so wird man stadtflüchtig und entflieht den grauen, neigenden Häuserwänden hinaus auf die lichten Weiten der Freilondstroß.

Der Folk findet sich in den Anschlagtechniken, aber auch im bannenden Fingerpicking von Junikäfer, das vor allem live seine Magie entfaltet; der Country Einfluss im Croonen des Mia gheat nix Refrains und Harmoniegesang von Jennifer Halper, und im quintenspringenden Bass in Countryrockstar. Die konkreteste Veränderung vom Blues zum Country manifestiert sich darin, dass das Bottleneck vom Beisl-Blues zum lap-steel-Ersatz für die Country Vibes und Glissandi umfunktioniert wird.

Die in Interviews von Glutberg genannten Einflüsse sind Townes van Zandt. J.J. Cale und Ernst Molden, erstere wohl mit dem Balancieren von Folk und Country-Einflüssen, letzterer, Ernst Molden, vor allem mit der wohldosiert auf die Akkorde gesprenkelten zweiten Gitarre. Manche eventuelle Themen-Parallelen und lyrische Analogien zum „schdrom“ Album Moldens kann man in ein, zwei Liedern herauslesen wie Treibhuiz und Junikäfer, die vom schdrom Album inspiriert sein könnten – wissen wird es nur Glutberg selbst. Die Songtexte nehmen oft spannende Wendungen, wenn Glutberg nach drei Minuten Fahrt in Fürn oidn Freind in die Rolle des oidn Freunds schlüpft und singt:  „Reino[…]Danke fürs Mitnehmen / die fünf tschick di mog i da schenken„. Oder in I bin net do, mit der letzten handlungswendenden Zeile „den briaf legst weg / weil olles was drin steht hob i net so gmeint“. Das zeigt sehr schön die Wichtigkeit des Schlusses eines Lieds und was diese für einen Unterschied machen kann.

Die Produktion ist wieder gelungen, verantwortlich zeichnet Dominik Hofstädter. Man hört das Schnarren der Gitarrensaiten, das Rutschen der Finger am Griffbrett, alles scheint zu atmen, zu leben, die Details der einzelnen Instrumente blitzen immer wieder durch. Kein Streben nach fehlerloser Seelenlosigkeit, sondern kleine angenehme Unperfektheiten. Zur Albummitte wird Abwechslung in die Arrangements gebracht: Bei I bin net do durch Erweiterung mit dem Album-Debüt des überaus versierten Gitarristen Asel, bei Junikäfer durch Reduzierung auf Akustikgitarre und bei Countryrockstar durch nochmalige Erweiterung mit Martin Rupp am Bass. Ein weiterer Grund, dass die Platte so gut funktioniert ist, dass Glutberg eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert hat, die er immer situationsadäquat einzusetzen weiß – sie trägt die Lieder und verschafft ihnen Ausdrucksstärke.

Die Höhepunkte der Platte sind gewiss das Lied Mir gheat nix das unter allen Liedern von der Komposition heraussticht durch sich perfekt ergänzende Strophen und Refrains, die beide gleichermaßen eingängig sind – samt Croonen (dem magischsten Moment der Platte), Auch das Friedenfinden mit den Umständen in der Welt in der allerletzten Strophenzeile in Mia gheat nix ist ein wunderschöner Moment: „man kriegt nix g’schenkt im Lebn […]  / stimmt net ganz letztens hams ma n Kuli gebn / oba I hob sie trotzdem net gwählt“, sowie das hochemotionale I bin net do und natürlich die Single Lederjackn, den Opener Treibhuiz, das im Modern Lovers Roadrunner-Feeling nach vorn preschende Caroline, sowie das albumsstimmung-definierende Storytelling-Stück Fürn oidn Freind.

Freilondstroß ist eine Platte die viel zu erzählen hat, aber eben auch die kurzen eingängigen Melodie-Phrasen im Refrain bietet, die für gute eingängige Lieder notwendig sind. Auch einige Ohrwürmer dabei, öfters auch von den Strophenmelodien. Auch ein, zwei Lieder wie Junikäfer die das Album mit anderen Facetten vervollständigen und Abwechslung reinbringen, die eine längere Fahrt nun einmal braucht und eine gute Ausgewogenheit der Liedauslese sicherstellen. 36 Minuten und 17 Sekunden dauert die Fahrt. Man lauscht gern über die volle Länge – zu unterhaltsam und sinnend sind die elf Geschichten auf der Freilondstroß.

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