Die brandneue vierköpfige Wiener Band Operation Silberfisch steht für gebrochene Herzen, Umverteilung und die Vergänglichkeit des Glücks. Florian Drexler (Gesang, Gitarre), Andi Lechner (Gitarre) Gabri Ciosa (Schlagzeug) erzählen im Mail-Interview mit Klangskizzerei über inspirierende No-Wave Bands, die Entstehung ihrer ersten beiden Singles Nein und Wien, was das Schönste am Live-Spielen ist und was die Zukunft für Operation Silberfisch bringt.
Wie entstand Operation Silberfisch?
Florian: Das war ein langsamer Prozess. Ich komme zwar ursprünglich von der Musik, arbeite aber mittlerweile hauptsächlich fürs Theater. Doch Theatermachen braucht immer immense Ressourcen in allen Bereichen, daher hab ich vor einigen Jahren begonnen Lieder zu schreiben, da ich das als eine niederschwellige Möglichkeit gesehen habe, Geschichten zu erzählen. Außerdem verbindet das Lied vor allem auf Deutsch viele Dinge, mit denen ich arbeite und die ich liebe: Text, Musik, Inszenierung und Inhalte die mir wichtig sind.
Ich machte auch kleinere Auftritte als SingaSongwriter und lernte zu der Zeit Andi kennen und lieben. Er ist das Mastermind von „the ghost and the machine“ und ihm gefielen meine Songs, mir sein Zugang zur Kunst und zur Musik. Wir begannen, zusammen zu arbeiten. Machten Theater und gründeten die Band. Wir versuchten, einen Sound für die Lieder zu finden, was uns auch dank Andis Expertise gelang. Er ist ein absoluter Sound-Nurd. Gabriel unser Schlagzeuger kam dann irgendwann später hinzu. Er ist unser Psychotherapeut und für alle zwischenmenschlichen Schwierigkeiten unser Fachmann.
Andi: da kann ich nicht viel hinzufügen – außer das man „sound nerd“ mit ‚e‘ und nicht mit ‚u‘ schreibt. Ergänzend möchte ich sagen, dass ich es wirklich sehr liebe wie dedicated die Jungs sind: es ist selten, dass wirklich alle an einem Strang ziehen. Flo ist ein 100%-Typ, Gabi ebenso. Das schätze ich sehr und ich glaube es ist eine wichtige Grundlage, um miteinander arbeiten zu können.
Gabriel: Mit Flo hatte ich schon mal eine Band, die mussten wir dann seinem Wechsel zur Gitarre opfern. Die beiden haben dann die Operation ins Leben gerufen. Ich bin wenig später eingestiegen worden, um den Laden zusammenzuhalten.
Wie habt ihr eure Debüt-Konzerte in Wien und außerhalb Wiens erlebt?
Florian: Super. Die Ehrlichkeit der Texte in Kombination mit dem Sound ist gut angekommen. Das freut mich total. Die Leute konnten was mitnehmen. Und es ist immer schön Konzerte zu spielen. Für mich ist es auch neu, Frontmann in einer Band zu sein.
Gabriel: wir hatten produktive Monate hinter uns und ich war glücklich, als es endlich soweit war, das Ding auf die Bühne zu bringen.
Andi: Musik ist ja mein Beruf und ich schätze die Vielseitigkeit daran. Manchmal treibt die Vielseitigkeit mich aber auch fast zum Wahnsinn: an einem Tag feiert dich das Publikum, am anderen musst du mit dem Lokalbesitzer diskutieren damit bitte das Billard-Spielen während des Gigs eingestellt wird – fad wird’s jedenfalls nicht. Unsere Konzerte wurden bis jetzt sehr gut angenommen, das freut uns sehr, denn man kann es auch nach Jahren nie wirklich einschätzen, wie was ankommen wird.
Was beeinflusst und inspiriert euch an den No-Wave-Genre Bands aus den späten 70ern und frühen 1980er Jahren?
Florian: Mir gefällt der Sound. Wenn es zu rockig und verzerrt wird, mag ich das nicht so. (lacht in schriftlicher Form) Aber ich reiche gerne an dich weiter Andi.
Andi: da könnt ich jetzt ein ganzes Essay drüber schreiben. Let’s put it this way: es ist sehr spannend, was für eine musikalische Melange sich um hot spots wie das ‚CBGB’s‘ oder ‚Max‘ Kansas City’ ergeben hat. Die Mischung aus Punk und Jazz hat mich immer sehr angezogen, weil diese beiden Richtungen mehr miteinander gemeinsam haben, als man glauben möchte. Bands wie die ‚Lounge Lizards‘ oder ‚Richard Hell And The Voidoids’ – deren Gitarrist Robert Quine auch für Lou Reed gespielt hat – hab ich schon als Teenager gehört: Für mich eine der interessantesten musikalischen Epochen des 20. Jhdt.
Wie entsteht ein Song plus Band-Arrangement bei Operation Silberfisch?
Florian: Ich schreib meistens die Songs. Zumindest kommt die Grundstruktur von mir. Also die Akkorde und der Text. Manchmal sind es auch nur Skizzen. Die nehme ich dann zur Probe mit und dann wird gemeinsam daran weiter gearbeitet.
Andi: Dazu möchte ich noch ergänzen, dass es – leider – kein Rezept dafür gibt. Nach Jahren des Musikmachens habe ich das Gefühl, bei jedem neuen Song wieder von vorne anzufangen. Es ist ein „Trial-and-Error“ Prozess, aber im Laufe der Jahre erweitern sich die persönlichen Möglichkeiten und tools zur Umsetzung musikalischer Ideen.
Gabriel: Flo ruft mich an und erzählt begeistert von einer neuen Idee, er spielt einen Rohentwurf und es geht entweder um Liebeskummer, Umverteilung oder psychische Probleme. Das gefällt mir. Das Arrangement entsteht dann gemeinsam im Proberaum. Genau wie Andi sagt, haben wir den Trial-and-Error Prozess manchmal auch mehrmals mit einem Song.
Wie haben sich die Demo-Versionen und Arrangements eurer Debüt-Single Nein im Lauf der Zeit entwickelt? War der Song schon immer tanzbar? Er ergäbe wohl auch einen guten Punk-Song.
Florian: Ich glaub, inhaltlich könnten einige unserer Songs Punk-Songs sein. Obwohl, ich finde das Konzept von Punk im Jahr 2024 schwierig.
Andi: Tanzbarkeit ist was Schönes, es ist ein ur-menschliches Bedürfnis zu tanzen und sich rhythmisch zu bewegen: Rhythmus kam in der Musik vor der Harmonie. Ich hoffe Menschen möchten zu unserer Musik tanzen! Was den Punk betrifft sehe ich ihn gern als ein Gefühl als ein dezidiertes Genre. Ich wurde durch Punk musikalisch sozialisiert und habe immer eine Affinität dafür gehegt. Aber wie Flo schon angedeutet hat: die Kultur neigt sehr zur Götzen-Anbetung und ich find es immer extrem cringe, wenn man Musik-Dokus von ehemaligen „Punk-Ikon*innen“ sieht, die in Designerklamotten noch immer so tun, als ob Sid Vicious der einzig krasse Typ der letzten 50 Jahre wäre. Alles fair enough, aber nicht mein Ding. Punk bedeutet für mich ein subversives Element in der Musik zu spüren, aber es kann auch in einem Bild etc. zu finden sein, zB bei Mirò.
Gabriel: Im Punk bin ich musikalisch leider nicht zuhause, wir sind zumindest textliche Punks
Woraus zieht ihr Inspiration für eure Texte?
Florian: Aus dem Leben. Aus persönlichen Erlebnissen, aus Dingen die uns beschäftigen, aus allem was uns umgibt. Die Texte sind verdichtete Gedanken, die wir uns sowieso auch so machen.
Andi: Junkfood and television!!
Gabriel: Im 15. Bezirk lässt sich das Leben auf das Spannungsfeld aus Straße und Couch herunterbrechen. Die Abenteuer aus dem Kopf müssen nur noch in ein kleines Textheft.
Was schätzt ihr am Schreiben in der deutschen Sprache bzw. Muttersprache?
Florian: Ich kann ehrlich gesagt nicht so gut Englisch, zumindest kann ich mich darin nicht so ausdrücken, wie ich es gerne würde. Und ich liebe die deutsche Sprache. Das ist mein Arbeitsmaterial, auch am Theater. Das ist die Sprache, in der ich denke und in der ich mir die Welt erkläre. Diese Sprache bin ich. Und in dieser Sprache kann ich auch auf ehrliche Weise was erzählen, was sagen und singen.
Wie und wann entstand der Song Wien?
Florian: Während der Pandemie haben die Regisseurin Sophie Bösker und ich den Episodenfilm „Wien 0815“ gemacht. Ich schrieb einen Teil der Musik dafür und eines der Lieder war Wien. Andi hat mit mir den Song dann aufgenommen. Und wie wir später dann schon die Band gegründet hatten, bekam der seine jetzige Form.
Andi: Ausgearbeitet haben wir den Song dann im Studio. Ich wollte mit dem Chorus-Riff einen Gegenpart zu Flo’s eigentlich sehr melancholischem Text schaffen: ich finde, ein guter Song lebt immer von einer gewissen Dialektik.
War er jemals im Wiener Dialekt geschrieben, oder war er immer schon auf (hoch-)deutsch getextet?
Immer schon auf quasi Hochdeutsch. Es ist ja schon ein Wienereinschlag hörbar finde ich. Und es ist auch eine bewusste Entscheidung nicht im „Dialekt“ zu singen. Einerseits finde ich dass vieles der Dialektmusik sich auf etwas drauf setzt was es so nicht mehr gibt. Und das mag ich nicht. Aber irgendwie ist das Gesungene auch immer artifiziell. Und da finde ich dann das Gegengewicht von klarer und direkter Sprache gut. Sonst wird das so sehr Kunst.
Inwieweit sind die Smiths und Isolation Berlin (Berliner Schule/Protopop Album) ev. Einfluss auf das Gitarrenspiel sowie den Gesamtsound des Songs Wien?
Andi: Also die Smiths auf jeden Fall schon sehr, ich muss gestehen ‚Isolation Berlin‘ kenn ich nur vom Hörensagen, die Musik gar nicht. Ich krieg musikalisch immer „micro obsessions“ und zieh mir dann einen Artist oder ein Genre eine zeitlang voll rein. Das kann von den Smiths (v.a. Gitarrist Johnny Marr) über John Coltrane über Nina Simone bis zu japanischer Koto-Musik und kubanischem Son so ziemlich alles sein. Ich habe ehrlich gesagt die Übersicht über meine Einflüsse verloren, aber bestimmte hört man mal mehr mal weniger durch, I guess.
Welcher eurer noch unreleasten Songs, die ihr live gespielt habt, hat am meisten Anklang beim Publikum gefunden?
Florian: Angsterkrankung. Ein sehr persönlicher Song, der eine weit verbreitete Erkrankung thematisiert. Ich zitiere: „ich hab eine Angsterkrankung und das ist nicht schön. Hallo, hallo Angsterkrankung – kannst du bitte jetzt gehen.
Andi: auf diesem Gebiet sind wir quasi ‚alte Hasen‘.
Was ist das Schönste am Live-Spielen?
Gabriel: das Auf und Ab der Gefühle, die Unvorhersehbarkeit und das im Moment sein
Florian: Die Reaktion der Leute. Die Begegnung mit dem Publikum. Und das Geschichten erzählen.
Andi: ich unterstreiche da Flo’s Aussage zu 100 %. Und ergänze um das Honorarnoten schicken danach.
Was bringt die Zukunft für Operation Silberfisch?
Florian: Das kann man natürlich nie genau sagen. Aber 2025 werden wir einige kleine Konzerte spieln und Ende des Jahres ins Studio gehen. Wenn alles gut geht, kommt 2026 unser erstes Album mit anschließender Tour.
Andi: die Zukunft von ‚Operation Silberfisch‘ bringt hoffentlich Sonnenbrillen mit hohem UV-Filter, da sie sehr strahlend sein wird!
Gabriel: unbedingt eine Tournee, wir wollen den reichhaltigen Schatz deutschsprachiger Texte in die EU hineintragen.
Danke für das Interview!
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