Während die Wiener Band Kaiser Franz Josef bereits den Classic Rock-Thron beansprucht hat, schicken sich ebenfalls vier Wiener unter dem Namen Napoleon Hairfashion an, stilsicher den Indie-Thron zu erklimmen. Napoleon Hairfashion gibt es schon seit 2010, sie legten diesen Juni ihre Debüt EP Shoot You Down vor. Die vier Musiker, Kevin Franz, Florian Pinter, Maximilian Winkler und Adrian Pfeffer, sind mit der Indiewelle der 00er Jahre aufgewachsen – zu ihren Einflüssen zählen sie Arcade Fire, The Libertines und The Strokes.
Diese 00er-Jahre-Affinität zeigt sich deutlich im Opener und Titeltrack Shoot You Down – wunderbar warmklingender britischer Indie-Rock. Anfangs werden abrupte Gitarrengeschütze aufgefahren, die Schlagzeugarbeit hält den losen Song zusammen und beschleunigt das Tempo. „You bought a ticket to my show / I saw you standing in first row / then you said goodbye and just went home”, wird im rasanten Refrain mehrstimmig zum Besten gegeben. Die zwei unterschiedlichen Songteile geben dem Song eine starke Dynamik. Der enttäuschte Groll schwingt fühlbar in der Stimme mit.
Produziert wurde die EP mit viel Liebe zum Detail. Huster und Klatscher und andere Effekte werden hier und da eingespielt und ergänzen das Songwriting gut. Die Rhythmusgitarrenschrammlerei ist oft in den Hintergrund gemischt während ein dicker Leadgitarrensound den Song trägt. Das lässt Napoleon Hairfashion etwas fokussierter klingen.
Die atmosphärische Vorabsingle 7 erinnert, speziell mit ihrer im Hintergrund schlummernden, schlaftrunkenen Rhythmusgitarre, sehr stark an die Strokes in ihrer First Impressions of Earth-Ära und Songs wie Fear of Sleep. Die Leadgitarre sinkt hinab, der Bass drückt schwer auf die müden Augenlider, das Schlagzeug versucht das Lied wachzuhalten. Hier wird im Songwriting alles der Stimmung untergeordnet. Kevin Franz trifft mit dem Text das Gefühl der Musik und evoziert nächtliche Trinkgelage bei denen die Musik bis in den Morgen weiterspielt.
Dass heimische Indiebands, nicht die klassische und eine ganze Dekade prägende, sondern die spätere First Impressions of Earth-Ära der Strokes in ihre Musik einfließen lassen, kommt eher selten vor. Mit den frühen Arctic Monkeys verbunden, sowie mit Eigenem garniert entsteht ein vielschichtiger, atmosphärischer Song. Wenngleich die Pre-Chorus und Refrainmelodie Single-untypisch nicht die eingängigste ist, sticht er mit seiner besonderen Stimmung aus der Masse an österreichischen Indie-Songs hervor.
Weiter geht es mit Cellphone Broken, in dem, zum Rhythmus des Schlagzeugintros, erst Bass und dann die Gitarren losmarschieren. Florian Pinters Leadgitarrensound blinkt vor sich hin wie ein Mobiltelefon. Im melodiösen Refrain des Songs wird Pinters Gitarre von einer weiteren Leadgitarrenspur harmonisiert – Napoleon Hairfashion bieten eine zeitgenössische Symphonie für zwei Taschentelefone dar.
Napoleon Hairfashion streben auf ihrer Debüt EP nach ihrem eigenen Indie-Sound, der auf ihrer individuellen, sehr groovigen Bass und Schlagzeugarbeit fußt, was ihnen auch zum Großteil gelingt. Einzig die Stärke der Gitarrenriffs wäre in Shoot You Down und Cellphone Broken ausbaufähig, so hebt man sich in diesem Bereich nicht allzu markant von anderen Indie-Bands ab und die beiden Songs bleiben etwas farblos. Zündende Refrainmelodien gibt es erst in den letzten beiden Songs der EP, besonders im besten Song der EP – der Melodie-Offenbarung HUA.
Jener Song HUA ist geprägt von einer hellklingenden und verspielten Gitarre und einer wunderbar sinnenden, suchenden Gesangsmelodie – der klar stärksten der EP. Kevin Franz angenehmes Timbre erinnert ein wenig an jenes seines Namensvorfahrens, des Sängers Kevin Rowland der Dexys Midnight Runners aus den 80ern.
Der Song steigert sich in ein furioses Finale, in dem Pinter zum Gitarrensolo ansetzt und Schlagzeuger Adrian Pfeffer ganz im Stile des Arctic Monkeys-Drummers Matt Helders in Outros wie jenen zu Leave Before the Lights Come on oder A Certain Romance bestialisch-besessen auf sein Drumkit eintrommelt. Ein gelungenes Schaulaufen der Instrumente und ein gelungener Abschluss.
Die Shoot You Down EP der Feldherrn von Napoleon Hairfashion ist also gewissermaßen ein zweischneidiges Schwert. Napoleon Hairfashion haben mit ihrem warmklingenden Indierock zwar noch nicht den Thron erklommen und sich selbst zu Kaisern ernannt, aber einen ersten Warnschuss abgegeben und im Indierhythmus an den Palasttoren angeklopft. Wenn sie ihre soliden Indierock-Songs weiterhin geduldig zu Goldtalern schmieden, wird sich ihre Liedkunst wohl rasch im Volk herumsprechen.
[Release: 13.06.17]
Gitarrenmusik und Konzertskizzen