Zwei tiefblaue Silhouetten springen von tiefblauen Häusern. Fliegen im freien Fall über das Cover des selbstbetitelten Albums von Elliott Smith. Und spätestens wenn die ersten dunklen Akkorde erklingen und Elliott Smiths hauchige Stimme langsam in den Gehörgang segelt wird klar: das Album wird ein intensives Hörerlebnis.
Durch die Lo-Fi-Produktion nimmt man jeden „Rutscher“ auf den Gitarrensaiten, jeden Atemzug der hauchigen Stimme, die volle Wirkung jedes Akkordwechsels wahr. Seine Songs schrieb er über Charaktere, die er erschuf, welche oft in Verbindung mit Drogen standen. Das oben genannte erste Lied Needle in the Hay handelt von Drogen, lange Zeit bevor er überhaupt mit Drogen in Kontakt kam. Das von rastlosen, finsteren Akkorden getriebene Lied sei bloß ein allgemeines, metaphorisches Lied über das Verlangen meinte er. Ein Lied das jedoch definitiv persönlich und ein Highlight des Albums ist, ist das vor Intensität fast berstende Southern Belle. Pure enttäuschte Wut auf seinen Stiefvater und dessen Umgang mit Elliotts Mutter kanalisiert in die spannungsgeladene rechte Hand des Gitarristen. „How come you’re not ashamed of what you are and sorry that you’re the one she got.“ singt er noch in enttäuschter, fragiler Zurückhaltung. Doch gegen Ende wird die sanfte Stimme laut. „You’re killing a Southern Belle“ – bricht die lange unterdrückte und aufgestaute Wut aus ihm heraus. „Killing a Southern Belle!“ „Killing a Southern Belle!“ Mit dem anspruchsvollen Southern Belle beweist er, dass er dem Folkgitarrengott Nick Drake fingerpickingtechnisch das Wasser reichen konnte. Smith legte jedoch mehr Wert auf die Einprägsamkeit der Gesangsmelodien. Über weite Strecken sparsam instrumentiert, ist das, 1995 erschienene, zweite Album Smiths, aber eine ähnliche Erfahrung wie das Album Pink Moon von Drake. Im rockigsten Lied des Albums Coming up Roses sind hingegen vielerlei Instrumente zu hören. Elliott wird von Melodica und einer simplen Percussion begleitet. Im kleinen, crunchigen E-Gitarrensolo im Mittelteil des Lieds lässt Smith auch erstmals seine Beatles-Affinität durchblitzen, welche seine späteren Alben Figure 8 und From a Basement on the Hill noch stark mitprägen sollte. Weitere Highlights sind das verträumte Satellite und das betrunken umhertaumelnde St. Ides Heaven („when I’m walking out between parked cars / with my head full of stars“) Das, zusammen mit Southern Belle, atmosphärischste, dichteste Lied des Albums ist The White Lady Loves You More, vor allem aufgrund der Anschlagtechnik, die der von Southern Belle ähnelt. Beim ersten Anhören glaubt man felsenfest zwei Gitarren zu hören. Weiters spielt Smith in dem Lied sein Talent für Akkordwechsel voll aus. Er hat die Gabe mit einem unüblichen Wechsel, wie im Outro zu The White Lady, den Hörer in eine andere Welt zu tragen. Abgerundet wird das Album mit dem begleitungsmäßig eher ruhig, simpel und folkig gehaltenen, aber melodiös berührenden The Biggest Lie, in dem es um Suizid geht. Es ist also nicht das zugänglichste Album. Die Atmosphäre sucht aber ihresgleichen und wer dem Album Zeit gibt, wird belohnt. Ein Album das wahrlich unter die Haut geht. |