Eine Woge aus mächtigen Gitarren, wirbelndem Cello und hellklingenden Schlagzeugbecken schallt und wallt sich zu riesenhafter Größe auf, Stephan Stanzel singt mit typisch bedeutender Miene seine Worte von Träumen, gewichtigen Sternen, Spiegeln und schweren Herzen ins Mikrofon – und das Konzert von A Life, A Song, A Cigarette im Fluc am Samstagabend ist eingeläutet.
Es ist der Song All that Glitters is not Gold vom gleichnamigen aktuellen Album. Was ihre Songs, die zwischen Indie, Alt. Country, Pop, Folk schwanken, eint: Sie sind Momentaufnahmen im flackernden Feuerzeugschein, wie im blauen Dunstnebel. Melodiegewordene Glanzlichter und Widrigkeiten des Lebens – ersonnen im verschatteten Simmering.
In All that Glitters is not Gold sind live die Gitarren präsenter und vor allem klarer als in der Studioversion, der Song weniger von Cello und Shoegaze-Schichten dominiert. Der in ätherische Sphären entschwebende Refrain dadurch ein kleinwenig geerdeter.
Nach dem schnell nachgeschossenen Falling Autumn folgt dann die Ballade Storybook die am Album ein wenig an Elliott Smith zu XO-Zeiten erinnert und live ebenfalls in ganz neuem Gewand erstrahlt: Der novembernebelverhangene Song wird live von Leadgitarre und Keyboarder farbiger ausgemalt. Der verhaltene Schlagzeugpart zu einem beschwingteren umgestaltet. Und der Song – am Album geprägt von den dunkelnden Momenten in denen wenig gespielt wird – zeigt sich dadurch deutlich live-tauglicher.
Sänger Stanzel macht seine Erkältung noch zu schaffen, kann sich aber trotz angeschlagener Stimme vor allem bei den hohen Noten der Doppelgesangparts immer wieder auf den Rückhalt der helleren backing vocals von Gitarristen Hannes Wirth verlassen. Die für A Life, A Song, A Cigarette typische überbordene Energie bei den Auftritten anfangs also etwas geschwächt, kommt aber immer mehr in Fahrt. So spielt man sich durch die 60er-Hollies-Reminiszenz Marie vom Album Black Air sowie die neueren Take Me Back und Snow.
Zwischen den Songs wird typisch für ALASAC Konzerte heiter gewitzt, es gibt das volle Programm aus Humor in den Songpausen und Tiefgründigkeit in den Songs. So werden dem Konzertbesucher alle Seiten und Facetten des Lebens dargeboten.
Truth erstreckt sich nach anfänglichen stürmisch-schaukelnden Cello-Wellen in die ruhigen Weiten eines mondbeglänzten Meeres aus Moll-Gitarrenakkorden.
Und es folgt Song um Song aus dem schon vier Alben umfassenden Repertoire.
Stanzels Schaffen zeichnet sich durch immer auf neue Art eingängige Melodien und Harmonien aus: Near, Intercity 69, Desert Spoon Blues, Blindhearted– sie gehen ihm schlicht nicht aus. Er lässt seine Songs immer frei ihre Wege einschlagen, die Melodie wandert, oft über entlegenere Akkordpfade, dann doch immer wieder nach Hause.
Der Auftritt kulminiert im mit Ansage gegen die Regierung ansingenden Change und die Stimmung im übervollen Fluc ist am Sieden; das Publikum aus vollen Lungen jubelnd und johlend.
Auch Stanzels Erkältung tat dem Auftritt keinen Abbruch. Man mag gar meinen, dass gerade die Erfahrungen, Widrigkeiten und Zigaretten, die in seine Stimmbänder gegerbt sind, seine Stimme zu einem Dokument seiner Lebenserfahrungen machen – mit welcher er seinen Songs glaubhaft Ausdruck verleihen kann.
So kommt es zur Zugabe bestehend aus Gitarre-Cello-Duo-Stück Black Air und dem klassischen Live-Closer Tears, der ins traditionelle, fulminante Cello-Finale mündet, in dem Lauermann leidenschaftlich über sein Cello herfällt. Doch gänzlich erwürgen würde er sein Herzensinstrument wohl nie.
Der Auftritt von A Life, A Song, A Cigarette im Fluc war ein melodiöser Triumph über das Leben und dessen Widrigkeiten.
Die„Magie des Live-Spielens“ nennt Stanzel in Interviews oft als Hauptsinn hinter dem Musizieren. Einst im Simmeringer Schatten ersonnen – so war sie auch heute im Fluc zwischen all den vielen leuchtenden Augen wieder zu sehen, zu hören und zu spüren.
Zum Glück ist das letzte Lied noch nicht verklungen, die letzte Zigarette noch nicht verraucht.
Gitarrenmusik und Konzertskizzen