Es gibt wohl wenig Besseres in der Musik als die Kombination von Akustik-Gitarre, gesungener Dichtung, Geige und Klavier. Weniges kreiert mehr Tiefenwirkung und Emotion. Die Saiten der Gitarre perlen mit jedem Hören der Lieder schöner und perliger. Die Gitarre wogt. Die Geige flutet sanft. Untethered – zu deutsch „ungebunden“ – ist eine gewissenhafte Reise ins Ungewisse die trotzdem ihren Way findet.
Die Debüt EPs des seit 20 Jahren in Wien lebenden Iren Dylan Goff. Die beiden EPs gehören eigentlich zusammen, die Songs stammen aus dem selben Zeitraum, wurden getrennt releast unterscheiden sich also vor allem in Produktion und Arrangements und nicht ganz so sehr im Songwriting. Auf der ersten EP „untethered (side one)“ aus dem Jahr 2021 mit dem weißen Cover und „untethered (side two)“ 2023 mit schwarzem Cover sind ein kleines Boot und träumerische Wolken abgebildet, die eine Reise beginnen. Eine Reise hat auch Dylan Goff hinter sich. Dylan Goff lebt seit 20 Jahren in Wien, kommt aus Drogheda in Irland und hat ein Herz für Sprache und Dichtung.
untethered (side one)
Untethered beginnt mit dem Song Early April und einer melancholischen Rückschau im Text. The Way that Lead to You ist ebenfalls sehr eingängig und bilderreich. Da fließt sehr viel Arbeit und Hingabe in die Texte zu untethered, die man auch hier nachlesen kann lyrics von untethered side one Snake Oil featured Amelie Tobien im Duett mit Dylan Goff. Hoch-tiefe Gesangs-Harmonien entstehen. Ein Song, der von der Musik von Better Oblivion Community Center inspiriert ist wie Dylan Goff im Interview mit klangskizzerei meinte:
„At the time I wrote Snake Oil I was listening to a lot of Phoebe Bridgers and Better Oblivion Community Center. I loved how the vocal dynamics worked on the Better Oblivion record so when I realised that dynamic was going to suit Snake Oil I asked Amelie Tobien if she would sing it with me“.
Der Song tanzt im drei Viertel Takt. Untermalt ist der Song vom mit Jazz-Besen gespielten Schlagzeug. Und einem kleinem Riff, das gleichbleibt während die Akkordfolge sich ändert. Eine Art Rückzug-Song im Text, der Rückzug spiegelt sich auch im kleinen Akustikgitarrenmotiv. Sycamores feat. ebenfalls Amelie Tobien am Gesang – ein magischer Moment der Platte wenn in diesem segelnden Song die Amelies vocals direkt an Dylans vocals anknüpfen.
In Romance at Russborough wogt die Gitarre wie das Meer auf dem das Boot segelt. Über dem die seagulls fliegen. Alle Instrumente setzen ein im tosendem Triumph. Und fast jede Zeile ist ein einprägsames Sprachbild und Porträt. The actress, she spied you with coal-black round eyes that she wore as dark diamonds for her nonchalant smile, and you defenestrated your gaze before it could be seen. […] Now when you look I turn my face away, see I was only a prisoner of the portraits they paint […] And if the flames dance round my face in this night please don’t stand there blackened, please just stand aside to collect my full heart from the ashes when passions subside.“
untethered (side two)
Auf „untethered (side 2)“ ziert dasselbe Boot das Cover diesmal in schwärzester Nacht. I Get Lost ist der Opener thematisch passend zum umdunkelten Boot. Evokativ und evolutioniert ist die Musik auf side two. Räumlicher ist der Sound. I Get Lost hat ein eindrucksvolles Frightened Rabbit inspiriertes Schlagzeug-Fill. Oft wird auch der atmosphärische E-Bow von Daniel Fisher, der auch untethered (side two) mischte, zum Einsatz gebracht. Goffs perlendes fingerpicking glitzert und das Klavier klaviert.
„untethered (side one)“ ist nahezu perfekt und alles aus einem Guss. Natürlich ist Dylan Goffs Songwriting auf Indie-Folk und nicht auf Pop-Song ausgelegt. Trotzdem könnte auf side two Digging als Song an sich etwas stärker sein, kommt mir vor. Die Songteile könnten wohl etwas mehr kontrastieren – sie haben nicht ganz den impact, den sie vielleicht haben könnten. Das schillernde Behold Our Smiles hat die höchsten Noten in der Strophe und einen recht tiefen Refrain, was ein bisschen ungewöhnlich ist.
Das reminiszierende Walking in a Photograph und der das Thema Heimatgefühl thematisierende Closer Old Argyle Sweater – über Wien und Irland über beggars and businessmen on the U4 über die cobblestones und den Stephansdom – fahren die EP emotional nach Hause. Die Melodie baut sich wohlkonzipiert auf und hält das Interesse des Hörers über die ganze Songlänge.
Am besten sieht und hört man die EPs als ein zusammengehöriges untethered Album – so wie es erdacht und ersonnen wurde. Gute Musik für die Zeit wenn der Herbst in die Straßen fällt und es oktobert und novembert. Ein bewegendes, poetisches Indie-Folk Album.
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